Aus Anlass des 10. Todestages von Paul Ariste (03.03.1905-02.03.1990) wird auf das Leben, aber besonders auf das wissenschaftliche Schaffen und die großen Verdienste dieses bedeutenden estnischen Sprachwissenschaftlers, der eine internationale Anerkennung wie bisher kaum ein Anderer hierzulande genoss, zurückgeblickt. Sein Gesamtwerk umfasst mehr als 8500 Seiten, darunter etwa ein Dutzend Monografien mit grundlegenden Erkenntnissen von bleibendem Wert, und annähernd tausend Artikel. Stätten seines Wirken waren vor allem der Lehrstuhl für finnisch-ugrische Sprachen der Universität Tartu und das Institut für Sprache und Literatur in Tallinn. Mehrere Generationen estnischer Finnougristen durchliefen seine Schule, unzählige Linguisten anderer sowjetischer Forschungszentren dürften ebenso stolz sein, dem Kreise seiner Schüler anzugehören. In den Jahren 1947-1978 wurden unter seiner Leitung 32 Forschungsreisen organisiert, die dem Sammeln von Sprachmaterial dienten und von denen sowohl Studenten und Aspiranten als auch Lehrkräfte mit vielfältigen Erfahrungen zurückkehrten. Auf seine Initiative erschien 1965 die erste Nummer der Zeitschrift SFU, mit der er bis zu seinem Tode als Chefredakteur aufs Engste verbunden blieb. Dem Internationalen Finnougristenkomitee gehörte er seit 1960 an. Die Ehrenmitgliedschaft in vielen internationalen Organisationen und Gesellschaften sowie mehrere Auszeichnungen zeugen von der Anerkennung seiner wissenschaftlichen Forschungsergebnisse sowie der Verehrung seiner Person als Mensch und Wissenschaftler. Unter den Bedingungen der sowjetischen Okkupation hielt er enge Kontakte zu den Kollegen in Ost und West und festigte somit die internationale Wertschätzung der estnischen Finnougristik. P. Ariste kam frühzeitig mit dem Erlernen von Fremdsprachen in Berührung. Neben der Muttersprache brachten ihm seine Eltern Schwedisch bei, im Umgang mit Nachbarskindern lernte er spielend Russisch, im Gymnasium eignete er sich mit erstaunlicher Leichtigkeit Deutsch, Englisch, Latein, Esperanto an, später lernte er noch die Zigeunersprache, Lettisch und Jiddisch. Außerdem beherrschte P. Ariste als Polyglotte noch zahlreiche andere Sprachen und diese umfangreichen Sprachkenntnisse bildeten ein solides und aus heutiger Sicht einzigartiges Fundament für seine gesamte Forschungstätigkeit, die er 1921 als sechzehnjähriger Schüler mit der Veröffentlichung der esperantosprachigen Abhandlung über die Liven ”La Livoj” in der in Köln erschienenen Zeitschrift ”Esperanto Triumfonta” begann. Der Autor des vorliegenden Artikels führt dem Leser das breite Spektrum des wissenschaftlichen, pädagogischen und organisatorischen Wirkens von P. Ariste vor Augen und möchte bewusst machen, welche unschätzbare Bedeutung ihm beim Voranschreiten der estnischen bzw. finnisch-ugrischen Sprachwissenschaft und bei der Entwicklung des Lehrstuhls an der Universität Tartu und des Instituts in Tallinn zu international bekannten und anerkannten Forschungsstätten zukommt. Seinen Schülern und zukünftigen Generationen obliegt es, sein Erbe zu bewahren sowie die Errungenschaften zu sichern und auszubauen.