Urmas Petti
University of Tartu
Zusammenfassung. Martin Luthers Stil und Ausdrucksweise in seinen Schriften
sind immer als sehr lebendig und emotional charakterisiert worden. Diese
Lebendigkeit seiner Sprache wird zwar meistens als eine Tugend gepriesen,
besonders bei der Bibelübersetzung. Zudem wissen wir aber, dass die Werke des
Reformators oft impulsiv entstanden, von einem Affekt her, von einem Gefühl
geleitet. Es zeigt sich manchmal auch in der Form der Schriften Luthers, die
nicht immer streng folgerichtig aufgebaut sind. Noch mehr, er hat eigentlich
keine systematische Darstellung seiner Lehre oder Dogmatik hinterlassen. Die
Emotionalität selbst wird ja gelegentlich im Gegensatz zur Rationalität, zur
Systematik gesehen, und so scheint auch bei Luther seine Emotionalität wirklich
die Entstehung eines systematisch-theologischen Entwurfes der reformatorischen
Erkenntnis behindert zu haben.
Wir können natürlich fragen, ob Luther
überhaupt ein systematischer Denker war? Betrifft dieses Fehlen einer Systematik
außer der Form auch den Inhalt? Ist Luthers Argumentation überwiegend rational
oder nur emotional?
Zur Systematik gehört sowohl eine äußere als auch eine
innere Kohärenz. Das heißt, wenn eine schriftliche Darstellung als ein
wissenschaftlicher Entwurf angenommen werden will, muss er zuerst mit dem
allgemeinen, gelehrten Diskurs auf dem entsprechenden Gebiet in Verbindung
stehen. In der christlichen Theologie bedeutet es unter anderem auch, dass man
auf die bisherige kirchliche Tradition Bezug nimmt. Die innere Kohärenz würde
aber bedeuten, dass der Autor sowohl im Rahmen einer einzelnen Schrift als auch
über eine längere Zeitspanne hindurch sich selbst nicht widerspricht.
Diese
Kriterien sollte man auch bei Luthers Schriften anwenden, um herauszufinden, ob
sie überhaupt systematisch sind; man sollte nachprüfen, ob Luthers Gedanken
ihren Ort in der theologischen Diskussion seiner Zeit haben, und ob seine
Schriften eine innere Logik vorweisen. Diese Fragen möchte ich hier an Luthers
Sakramentssermonen von 1519 stellen.
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