TRAMES 1, 6, 2002

LUTHERS SYSTEMATIK IN SEINEN SERMONEN VON 1519

Urmas Petti

University of Tartu

Zusammenfassung. Martin Luthers Stil und Ausdrucksweise in seinen Schriften sind immer als sehr lebendig und emotional charakterisiert worden. Diese Lebendigkeit seiner Sprache wird zwar meistens als eine Tugend gepriesen, besonders bei der Bibelübersetzung. Zudem wissen wir aber, dass die Werke des Reformators oft impulsiv entstanden, von einem Affekt her, von einem Gefühl geleitet. Es zeigt sich manchmal auch in der Form der Schriften Luthers, die nicht immer streng folgerichtig aufgebaut sind. Noch mehr, er hat eigentlich keine systematische Darstellung seiner Lehre oder Dogmatik hinterlassen. Die Emotionalität selbst wird ja gelegentlich im Gegensatz zur Rationalität, zur Systematik gesehen, und so scheint auch bei Luther seine Emotionalität wirklich die Entstehung eines systematisch-theologischen Entwurfes der reformatorischen Erkenntnis behindert zu haben.
Wir können natürlich fragen, ob Luther überhaupt ein systematischer Denker war? Betrifft dieses Fehlen einer Systematik außer der Form auch den Inhalt? Ist Luthers Argumentation überwiegend rational oder nur emotional?
Zur Systematik gehört sowohl eine äußere als auch eine innere Kohärenz. Das heißt, wenn eine schriftliche Darstellung als ein wissenschaftlicher Entwurf angenommen werden will, muss er zuerst mit dem allgemeinen, gelehrten Diskurs auf dem entsprechenden Gebiet in Verbindung stehen. In der christlichen Theologie bedeutet es unter anderem auch, dass man auf die bisherige kirchliche Tradition Bezug nimmt. Die innere Kohärenz würde aber bedeuten, dass der Autor sowohl im Rahmen einer einzelnen Schrift als auch über eine längere Zeitspanne hindurch sich selbst nicht widerspricht.
Diese Kriterien sollte man auch bei Luthers Schriften anwenden, um herauszufinden, ob sie überhaupt systematisch sind; man sollte nachprüfen, ob Luthers Gedanken ihren Ort in der theologischen Diskussion seiner Zeit haben, und ob seine Schriften eine innere Logik vorweisen. Diese Fragen möchte ich hier an Luthers Sakramentssermonen von 1519 stellen.

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